Change Management ist wie Regentanz. Wenn es klappt, ist man selbst überrascht, doch man genießt den Ruhm. Wenn es nicht klappt, müssen andere weiter daran glauben.

In dieser 4-teiligen Serie möchte ich mit vier Thesen des herkömmlichen Change-Managements aufräumen und einen andere Perspektive anbieten.

These 1: Organisationen bestehen aus Menschen

Eine weit verbreitete Annahme ist es, dass Organisationen aus Menschen bestünden. Und sie ist auch nachvollziehbar. Sie entspricht schließlich unserem täglichem Erleben. Wenn du morgens zur Arbeit erscheinst, begegnest du Menschen. Diese Annahme ist so weit verbreitet und offensichtlich, dass sie nicht mehr in Frage gestellt wird. Was ist, wenn es eine Alternative gäbe? Es ist vergleichbar mit der Unterscheidung zwischen einem klassischen Gravitationsverständnis nach Newton und der generellen Relativitätstheorie nach Einstein. Beide haben die Gravitation beschrieben. Der eine elementar auf Objektebene, der andere strukturell anhand der Raumkrümmung. Ein fundamental anderer Ansatz mit weitreichenden Konsequenzen. Fehlen diese Unterscheidungsmöglichkeiten landet man immer immer wieder in den selben Sackgassen.

Eine davon – und sie ist besonders stark in Organisationen ausgeprägt – ist die Personifizierungsfalle. Wenn man davon ausgeht, dass Organisationen aus Menschen bestehen ist es nachvollziehbar, dass es Helden und Schuldige geben muss. Das zugegeben einfache Erklärungsmodell lässt aber nur einen Schluss zu: Personen müssen ausgewechselt werden. Gerade in Bezug auf Führungskräfte ist dieser Reflex häufig zu beobachten.

Wie lässt sich aber erklären, dass obwohl mehrere Male die selbe Position neu besetzt wurde, sich keine wirkliche Verbesserung eingestellt hat? Wie lässt sich erklären, dass eine Organisation fortbestehen kann, obwohl nach und nach die komplette Belegschaft ausgewechselt wurde?

Das Narrativ des Helden stößt beim Erklärungsversuch dieser Phänomene an seine Grenzen. Genauso wie man mit Newton keine schwarzen Löcher erklären kann. Was ist also die Alternative? Organisationen bestehen aus Kommunikationen! Das ist ähnlich eingängig, wie zu behaupten, dass Masse den Raum krümmt. Wenn man es aber akzeptiert und sich einmal mit dem Gedanken anfreundet, eröffnet sich eine ganz neue Welt. Schwarze Löcher und Gravitationslinsen lassen sich plötzlich erklären. So auch der ständige Wechsel zwischen Outsourcing und selber machen, der nahtlose Übergang einer Managementmode zur nächsten, der ständige Schrei der Belegschaft nach Orientierung und Strategie oder der Wunsch nach Vision und Purpose. Mit einer neuen Brille wird Vieles plötzlich klarer – auch wenn sie anfänglich für Kopfschmerzen sorgt. Der Vorteil: Die neue Sicht entlastet ungemein.

Denn wenn Organisationen aus Kommunikationen bestehen und nicht aus Menschen, muss ziemlich viel der herkömmlichen Change Klaviatur nicht in dem Maße bespielt werden, wie oft praktiziert. Werte, Haltungen, Purpose, Kulturarbeit, Leadership-Programme etc. können alle einmal mit der neuen Brille in Hinblick auf ihre Wirksamkeit auf den Prüfstand gestellt werden.

Mehr zu dem Thema auch im Podcast von David Symhoven auf Spotify oder Apple Podcast und überall wo es sonst Podcasts gibt.

Foto von Matteo Catanese auf Unsplash